Viele Trainer haben ein konkretes Modell als Grundlage, womit sie ihre Seminare planen, ob Präsenz oder Online.
Das hilft dann bei der Planung eines konkreten Seminars ungemein, weil es eine Struktur und einen Rahmen gibt, an dem man sich orientieren kann.
Daher möchte ich mit diesem Thema beginnen, bevor ich dann später zur konkreten Planung von Live-Online-Seminaren und Seminaren in einem Forum komme. Oder zu konkreten Methoden und Tools.
Heute stelle ich dir das Seminarphasen-Modell vor, nach dem ich arbeite. Es hat sich wohl über Jahre aus verschiedenen Modellen entwickelt, die mir im Laufe meiner Trainerlaufbahn und unzähligen Fortbildungen begegnet sind. Vor allem wurde es wohl auch von dem sogenannten Suggestopädischen Kreislauf beeinflusst, den ich nächste Woche vorstelle.
Mein Phasen-Modell
Dieses Modell ist für mich immer Grundlage, ob es ein Präsenz-Seminar oder Online-Seminar ist, ob es ein Workshop von einer Stunde ist oder ein 5-tägiges Seminar.
Wie alle Modelle ist es aber eben ein Modell und nicht die Realität. Das bedeutet, dass es je nach Thema Abweichungen gibt und diese Reihenfolge nicht sklavisch eingehalten werden muss.
Vereinfacht könnte man alle Modelle auf drei Phasen reduzieren:
I. Einstieg, Vorbereitung, Einführung
II. Input, Themenerarbeitung und – Wiederholung
III. Ausstieg (Transfer, Auswertung, Integration)
Im Folgenden stelle ich die einzelnen Phasen ausführlicher vor und erläutere auch, welche Funktion sie haben und warum sie wichtig sind.
Denn gerade in Online-Seminaren erlebe ich oft, dass Phase 1 und 3 mehr oder weniger geschlabbert werden.
1. Einstieg
Der Beginn eines Seminars hat sicher eine ähnliche Wirkung wie der erste Eindruck bei der Begegnung zweier Menschen, der ja der entscheidende sein soll. Hier werden die Weichen gestellt und Signale gesendet, die unbewusst, aber umso stärker auf die Teilnehmer wirken.
In Präsenz-Seminaren
Durch den Beginn des Seminars, die Einführung durch den Trainer und erste Kennenlern- Methoden, wird schon deutlich, auf welche Art und Weise hier gearbeitet wird.
Wenn die Teilnehmer sofort aufstehen (müssen oder dürfen), herumlaufen und miteinander ins Gespräch kommen oder gleich eine kleine Aufgabe erledigen, wird sofort klar: hier wird teilnehmeraktivierend gearbeitet.
Manche Trainer finden Kennen lernen überflüssig, da die Teilnehmer ja nur für kurze Zeit zusammen sind.
Aber eine Gruppe kann leichter und effektiver zusammenarbeiten, wenn die Teilnehmer einen ersten Eindruck voneinander haben, vielleicht auch schon gemeinsame Interessen oder Schwerpunkte herausgefunden haben. Gerade bei kritischen Themen, die auch die persönliche Entwicklung beinhalten, gelingt auch eine sehr viel offenere und tiefere Arbeit, wenn Vertrauen in der Gruppe entstehen konnte.
In Online-Seminaren
Kennenlern-Methoden können genauso gut in Online-Seminaren durchgeführt werden, ob im Forum oder Webinar.
Ich finde diese Phase in Online-Seminaren sogar noch wichtiger, da die Teilnehmer sich hier ja nur über die Webcam sehen und auf ganz andere Art miteinander kommunizieren.
Ich erlebe da auch gerade bei den Methoden im Forum, wie Teilnehmer teilweise sehr offen und ausführlich über sich schreiben (ich biete da verschiedene Methoden an) und dadurch oft schon ein sehr intensiver Kontakt entsteht. Der natürlich die weitere Zusammenarbeit sehr fördert.
2. Hinführung / Einführung / Motivation
Diese Phasen sind praktisch nicht so leicht voneinander zu trennen, sondern können fließend ineinander übergehen.
Es geht anfangs darum, den Teilnehmern einen Überblick über die Inhalte zu geben, die sie im Seminar erwarten – und gleichzeitig auch schon erste Informationen dazu. Hier soll Neugier und Interesse am Thema geweckt und eventuelle Ängste abgebaut werden. Beispielsweise, dass das Thema schwer oder uninteressant sei.
Wenn eine emotionale Brücke geschlagen werden kann („Ach, das ist ja interessant!“, „Oh, darüber möchte ich mehr wissen“, „So kompliziert scheint es ja gar nicht zu sein“) ist das weitere Arbeiten schon gut vorbereitet.
Die gleichen Methoden, die als Einstieg und zur Motivation geeignet sind, können gleichzeitig auch schon eine Einführung in das Thema sein.
In Online-Seminaren
Auch online kann ich etliche Methoden einsetzen, die ich bisher in Präsenz-Seminaren durchgeführt habe. Manche sind sogar besser für Online-Seminare in einem Forum geeignet, da jeder in seinem eigenen Rhythmus arbeiten kann.
3. Themen-Input / Stoff-Präsentation
Je nach Seminarthema sind erst einmal Informationen durch den Trainer erforderlich, bei anderen Themen können diese auch schon gleich von den Teilnehmern selbst erarbeitet werden.
Power Point oder Overhead- Referate sind selten in suggestopädischen Präsenz-Trainings anzutreffen, zumindest keine langen Folienschlachten mit trockenen Informationen. Doch bei manchen Themen ist nicht ganz darauf zu verzichten. Hier besteht dann die Kunst darin, entweder die Folien und Vorträge von vorneherein so zu gestalten, dass sie den Kriterien entsprechen – oder diese zumindest immer wieder mit anderen Teilnehmeraktivierenden und lerntypengerechten Methoden zu unterbrechen und zu ergänzen.
In Online-Seminaren
Bei Online-Seminaren kannst du einen großen Teil des Inputs in deinem Skript geben, wo jeder Teilnehmer die Inhalte in seinem Tempo durcharbeiten kann. Das finde ich allemal sinnvoller als lange Vorträge zu halten.
Du kannst aber ebenso eine Audio-Datei erstellen oder sogar ein Video, wenn es sinnvoll ist, etwas zu zeigen.
Kurze Einführungen kannst du auch in einem Webinar geben. Ich würde Webinare aber nie in erster Linie für reinen Input nutzen, denn der kann auch schriftlich im Forum oder durch eine PDF vorher erfolgen. Im Webinar sollte der Schwerpunkt auf Austausch und gemeinsamen Übungen und Aufgaben liegen.
Weitere Methoden für Input können sein: Rahmengeschichten, Metaphern, Lernposter, Bildergeschichten, Comics, Lernlandschaften. Auf einzelne Methoden gehe ich in späteren Beiträgen ein.
All das ist gleichermaßen Präsenz wie Online möglich.
Bei Lernlandschaften kannst du im Online-Seminar die einzelnen Etappen per Foto zeigen oder auch ein Video mit Fotos und Folien drehen und dazu die Erläuterungen geben.
4. Themen-Erarbeitung
In dieser Phase wird das Fachthema erschlossen und Informationen erarbeitet. Die Teilnehmer machen sich mit dem neuen Wissen vertraut und verknüpfen es mit bisherigen Kenntnissen.
Das kann gemeinsam im Plenum geschehen oder auch in Arbeitsgruppen, die Material oder konkrete Aufgabenstellungen bekommen. Die Ergebnisse werden dann anschließend – ebenfalls auf kreative Art- präsentiert.
5. Wiederholung, Übung und Anwendung
Je nach Thema gibt es Lernstoff, der wiederholt und geübt werden muss und so angeeignet, dass er nach dem Seminar selbständig eingesetzt werden kann. Ob das neue Techniken zum Zeitmanagement sind oder eine bestimmte EDV- Anwendung oder Sprache.
Nicht immer passieren solche Wiederholungen in diesem klassischen Schema, wie es für Sprachkurse entwickelt wurde. Zuerst das einfache Einprägen und Wiederholen und in der zweiten Phase dann schon der selbständige Umgang mit der Sprache.
In einem Seminar von 2-3 Tagen werden sich die Phasen der Themen- Erarbeitung, Wiederholung und Anwendung auch mehrmals abwechseln. Dies geht einher mit einem Wechsel der Sozialformen und dem Wechsel von aktivem und passivem Teilnehmerverhalten.
Anwendung bedeutet beispielsweise in meiner Online-Trainer-Ausbildung, dass die Teilnehmer die kennengelernten Methoden auf ihre Themen und zukünftigen Trainings übertragen, konkrete Trainingssequenzen oder Methoden entwickeln – und im und das auch mit der Gruppe üben und ausprobieren.
Das stellt dann einen fließenden Übergang zum Transfer dar.
6. Integration und Transfer
Die Integration dient dazu, den gesamten Stoff noch einmal einzuordnen und in einer Gesamtschau zu wiederholen. Das kann auf sehr aktive Weise erfolgen, in dem die Teilnehmer mit verschiedenen Methoden das Gelernte zusammentragen, es kann aber auch mit einer mentalen Integration geschehen, bei der die Teilnehmer passiv und entspannt sind.
Transfer–Übungen helfen deinen Teilnehmern, schon im Seminar vorzubereiten, wie sie das Gelernte später einsetzen und auf ihre Arbeitssituation übertragen.
In meiner Online-Trainer-Ausbildung geht es beispielsweise darum konkrete Seminarmethoden auf die eigene Zielgruppe und das eigene Thema zu übertragen und zu entwickeln.
Die Phase des Transfers kann aber auch dazu dienen, die konkrete Umsetzung zu planen, denn nicht alles lässt sich schon im Seminar selbst machen.
Hier kann auch die Arbeit mit Zielen hilfreich sein, mit Motivationsübungen oder aus dem NLP, damit die Teilnehmer möglichst konkret und schriftlich planen, was sie wann wie umsetzen.
Vage Vorsätze bewirken erfahrungsgemäß wenig, wenn nach dem Seminar der Alltag wieder zuschlägt.
7. Auswertung und Abschluss
Ein bewusster Abschluss eines Seminars ist genauso wichtig wie ein bewusster Einstieg, um die Sache wirklich „rund zu machen“.
Die Seminarauswertung dient nicht nur dem Trainer als Feedback, sondern kann auch mit den entsprechenden Methoden dazu dienen, dass die Teilnehmer noch einmal reflektieren, was sie aus dem Seminar mitnehmen und umsetzen wollen, was ihr eigener Beitrag dazu war, was eventuell noch offen ist, woran sie weiterarbeiten möchten.
Es ist auch noch mal eine Art Integration – auf einer reflektierenden Ebene.
Wenn die Gruppe gut zusammengearbeitet hat und sich auch sonst gut verstanden hat, dann ist so ein Ende auch manchmal etwas wehmütig.
Es gibt Übungen, bei denen die Teilnehmer bewusst voneinander Abschied nehmen, sich eventuell auch eine Art Feedback oder ein „Geschenk“ mitgeben.
Es kann aber auch ausreichen, gemeinsam einen Abschlusstanz zu machen, ein Spiel oder nur ein kleines Ritual. Aber auf jeden Fall einen bewussten Schluss setzen.
Es ist nicht so, dass man diesen Kreislauf nur einmal durchläuft. Während eines mehrtätigen Seminars gibt es innerhalb der Gesamtchoreographie immer wieder Elemente und Teile der Seminarphasen.
So wechseln immer wieder einmal Input, Erarbeitung und Wiederholung ab, wenn Sie jeweils ein neues Thema beginnen.
Gleichzeitig gibt es auch an jedem Tag noch einen „eigenen Kreislauf“. Der Tagesbeginn ist ein anderer als der Seminarbeginn. Bei einem Tagesabschluss setzen Sie andere Methoden ein als beim Seminarende.
Dennoch ist es der gleiche Zyklus von Einstieg, Erarbeitung und Ausstieg.
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Hast du auch ein Modell mit Seminarphasen, das du bei deiner Planung zugrunde legst? Welches? Ich freue mich auf deine Beispiele.
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Ich denke, dieser Beitrag zur Seminarplanung hat alle meine Fragen beantwortet. Jetzt weiß ich, wie ich vorgehen muss. Wirklich gut geschrieben, muss ich sagen.